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"Nationale Unabhängigkeit ist möglich"
Interview mit Felicity Garvie von der Scottish Socialist Party
(Junge Welt, 12. Februar 2007)
Bei den Wahlen in Schottland am Mai stehen gleich zwei sozialistische Parteien zur Auswahl: die Scottish Socialist Party (SSP) und Solidarity, eine neue Vereinigungen des ehemaligen SSP-Chefs Tommy Sheridan. JW sprach mit Felicity Garvie, dessen langjährige parlamentarische Assistentin und Gründungsmitglied der SSP, über die Krise der schottischen Linken, Nationalismus und die Erfolgsaussichten bei der anstehenden Wahl.
Wie kam es zur Spaltung der Scottish Socialist Party?
Tommy Sheridan hat eine herausragende Rolle gespielt, besonders in der öffentlichen Wahrnehmung. Er war ein prominenter Gegner der Poll Tax (Kopfsteuer, die Margaret Thatcher einführen wollte) und deshalb sogar im Gefängnis. Bei ersten Wahlen in Schottland 1999 zog er dann als einziger SSP-Kandidat ins Parlament ein. Vier Jahre später bekamen wir ungefähr acht Prozent und damit sechs Abgeordnete. Es sah aus, als würden wir zur politischen Kraft in Schottland, aber dann brauchte ein Boulevardbaltt einen Artikel, in dem es hieß, Sheridan sei in einem Sexclub in Manchester gewesen. Er zeigte diese Zeitung wegen Verleumdung an – gegen unseren Willen, schließlich hatte er bei einer Sitzung des Exekutivkommittee zugegeben, dass der Bericht stimmte! Als er nicht bereit war, die Anzeige zurückzuziehen, wollten wir, dass er als Vorsitzender zurücktritt. Das haben wir nicht öffentlich gemacht, um der Partei und auch ihm nicht zu schaden. Schließlich kam es zu einem Gerichtsverfahren, im Moment läuft ein Ermittlungsverfachen Verfahren gegen Sheridan wegen des Verdachts auf Meineid. Er hat später noch versucht, den Spitzenplatz auf der Landesliste in Glasgow zu bekommen, aber keine Mehrheit bekommen.
Tommy Sheridan konnte sich in der SSP nicht durchsetzen und hat Anfang September 2006 seine eigene Partei gegründet.
Zwei trotzkistische Fraktionen haben unsere Partei ebenfalls verlassen und machen nun bei Sheridans Partei Solidarity mit, nämlich das Committee for a Workers International (CWI) und die Socialist Workers Party (SWP). Deren Schwesterorganisationen in Deutschland sind die SAV beziehungsweise „Linksruck”, beide kommen bekanntlich ziemlich schlecht miteinander klar. Tommy Sheridan wiederum ist für die nationale Unabhängigkeit Schottlands, was SWP und CWI nicht befürworten. Außerdem ist eine unserer Abgeordneten und einige Mitglieder zu Solidarity übergetreten. Leider hat die Spaltung aber mit der Schlammschlacht um Sheridan zu tun und nicht mit programmatischen Unterschieden.
Was erwartet ihr von den Wahlen im Mai?
Vermutlich werden wir diesmal keinen Kandidaten durchkriegen. Der Skandal hat uns um mindestens acht Jahre zurückgeworfen, aber ich bin trotzdem nicht pessimistisch. Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet und einen Kern von sehr aktiven Mitglieder. Wir haben uns nie als rein parlamentarische Partei gesehen, ganz im Gegenteil. In Umfragen sagen immer noch zwischen drei und fünf Prozent, sie würden uns wählen. Immerhin hatten wir in Schottland eine Zeit lang geschafft, was nirgendwo sonst gelungen ist: die Vereinigung der Linken gegen die eigentlichen Feinde. Im Wahlkampf konzentrieren wir uns auf den Protest gegen den Irakkrieg und Trident, das britische Nuklearwaffenprogramm. Auch das ist ein Grund für uns, Unabhängigkeit von Großbritannien anzustreben.
Die SSP hat angekündigt, nach der Wahl eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit von England zu organisieren. Eure Bündnispartner sind in dieser Frage die bürgerlichen Nationalisten der Scottish National Party (SNP). Warum sollte eine schottische Nation der Arbeiterklasse nutzen?
Die Vorraussetzung für eine Umverteilungspolitik wären wesentlich besser, wir könnten die britischen Nuklearwaffen loswerden. Die Krise der Labour Party hat dazu geführt, dass in Schottland zum ersten Mal die Befürworter der nationalen Unabhängigkeit an die Macht kommen könnten. Die Grünen und die Nationalisten sind dafür, wir sind dafür. Das würde bedeuten, dass die Macht von London ein für alle Mal gebrochen wäre. Die SWP und das CWI beispielsweise vertreten den Standpunkt, die britische Arbeiterklasse sei eine Einheit, das Nationalbewusstsein der Schotten oder auch der Waliser sei nicht so wichtig. Aber die Schotten fühlen sich als Nation, man kann die nationale Frage hierzulande nicht ignorieren. Bei Umfragen spricht sich regelmäßig eine Mehrheit dafür aus. Im Gegensatz zur SNP streben wir eine sozialistische Republik Schottland an, keine bürgerlich-kapitalistische.
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