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"Das Schicksal einer farbigen deutschen Minderheit"(Die Rheinpfalz, 9. 3. 2007) Nach Ende des 1. Weltkrieges bestand ein großer Teil der Besatzungstruppen in der Pfalz und dem Rheinland aus Kolonialsoldaten aus Afrika. Das Schicksal ihrer Kinder, die während der Weimarer Republik als "Rheinlandbastarde" diffamiert wurden und später von den Nationalsozialisten unfruchtbar gemacht wurden, ist heute fast vergessen. Laut dem Versailler Vertrag sollten die alliierten Mächte für fünfzehn Jahre die linke Rheinseite besetzen. Den Großteil der alliierten Truppen stellte die französische Armee, bis zum Abschluss des Friedensvertrags fast 200.000 Mann, danach etwa 85.000. Ein großer Teil von ihnen stammte aus Afrika, aus Madagaskar, Marokko, Algerien und Tunesien. Ihre Zahl schwankte stark, weil die Franzosen sie im Winter üblicherweise nach Südfrankreich verlegten. An die 40.000 Soldaten dürften es gewesen sein; in der Regel wurden sie in geschlossenen Formationen eingesetzt. Nun zogen sie in die Kasernen ein, die von den Deutschen geräumt worden waren: fünf marokkanische und vierzehn algerische und tunesische Schützenregimenter, außerdem zwei Jägerbataillone aus dem Senegal, unter anderem in Kreuznach, Ludwigshafen, Trier, Speyer und Germersheim.
Die Soldaten kamen in recht engen Kontakt mit der Bevölkerung – ein Kontakt, der nicht folgenlos blieb. Zum ersten Mal offiziell erwähnt wurde die Existenz von "Mischlingskindern" im Dezember 1919. Die Reichsregierung beklagte zunächst die durch wirtschaftliche Not verursachte Verwahrlosung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten, während die ausländischen Truppen Kleidung und Nahrungsmittel im Überfluss besäßen. "Unter diesen Umständen hat leider ein Teil der weiblichen Bevölkerung ihre sittliche und Standesehre sowie ihre nationale Würde nicht zu wahren gewusst und in Anstoß erregender Weise mit den Soldaten der Besatzungstruppen Verkehr unterhalten." Weiter hieß es: "Dieser Verkehr ist selbstverständlich in vielen Fällen nicht ohne Folgen geblieben." Als "Rheinlandbastarde" diffamiert Schon während des Krieges war die deutsche Propaganda empört über den Einsatz von Kolonialtruppen. Deutsche Zeitungen schrieben von "einem schmachvolles Schauspiel"; die Westmächte hetzten "Mongolen und Neger auf die weiße Rasse". Nach der Niederlage galten dann vielen die Afrikaner am Rhein als besondere Demütigung. Politiker und Publizisten bezeichneten ihre Anwesenheit als "Anschlag auf die deutsche Volksgesundheit" – eine Stossrichtung, die beileibe nicht nur Rechtsextreme verfolgten. "Die Verwendung farbiger Truppen niederster Kultur als Aufseher über eine Bevölkerung von der hohen geistigen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rheinländer" sei eine "Verletzung der Gesetze europäischer Zivilisation", sagte in einer Rede Reichspräsident Friedrich Ebert. Senegalesen in Worms In Worms beispielsweise, wo schwarzafrikanische Soldaten stationiert waren, schrieb der Vertreter der Interalliierten Rheinlandkommission in einem Brief an den damaligen Oberbürgermeister Heinrich Köhler, zu Beginn habe in der Zivilbevölkerung eine gewisse Furcht vor den Kolonialsoldaten geherrscht, die aber bald nachgelassen habe. Die Beschwerden über die farbigen Soldaten bei der Polizei bezogen sich größtenteils auf Bagatellfälle, etwa die "Entwendung eines Regenschirms durch einen Negeroffizier" und "das unerlaubte Radfahren in einer Parkanlage". Laut Christian Koller war das Verhältnis der Wormser zu den afrikanischen Verbänden nicht wesentlich schlechter als zu den anderen Soldaten Frankreichs. In einem Brief von 1920 bescheinigte demgemäss Oberbürgermeister Köhler dem 11. Senegal-Schützenregiment, es habe sich „als gut disciplinierte Truppe erwiesen“. Nach 1921 allerdings scheint sich das Verhältnis verschlechtert zu haben.
Iris Wigger (2006) Die „Schwarze Schmach am Rhein“. Münster: Westfälisches Dampfboot. Reiner Pommerin (1979) Sterilisierung der Rheinlandbastarde. Schicksal einer farbigen deutschen Minderheit 1918-1937. Düsseldorf: Droste Verlag. Christian Koller (2001) "Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt". Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
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