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Howard Zinn ist ein prononciert linker Historiker, staatskritischer Sozialist und dennoch in den USA so beliebt, dass mancher Schüler von seinem liberalen Geschichtslehrer mit der People’s History of the United States traktiert wird. Diese Popularität erklärt sich auch aus Zinns gut lesbarem Stil, der lebendig und voller literarischer und kultureller Referenzen ist.
"Die Erinnerung der Unterdrücken ist etwas, dass ihnen nicht geraubt werden kann", schreibt Zinn - klingt gut, aber warum sollte das eigentlich so sein? Natürlich kann die Erinnerung an vergangene Kämpfe vergessen, verfälscht oder zensiert werden. Der Autor jedenfalls will helfen, die Erinnerung zu bewahren. Seine monumentale „Volksgeschichte“ widmet sich besonders den afrikanischen Sklaven, Indianern, den Arbeitern, den Frauen. Von der Kolonisierung durch die Spanier bis in die frühe 1980er Jahre versucht Zinn, „Geschichte gegen den Strich bürsten“; „Geschichte von unten“ lautet die dafür oft bemühte Phrase. Leider beleuchtet er die amerikanischen Arbeiter und Bauern in einem zu heroischen Licht. Rassisten und Antikommunisten tauchen in dieser Darstellung unerklärt, gleichsam aus dem Nichts auf. Vielleicht liegt es ja an seiner Schwäche für die eindringliche Szene und das wirkungsvolle Zitat – er ist auch Autor zahlreicher Theaterstücke –, dass in der „amerikanischen Volksgeschichte“ Helden haufenweise auftreten. Aber die angeblich einfachen Leute sind eine komplizierte Angelegenheit, während Zinn oft nicht präzise genug ist.
Dennoch lohnt es sich, dieses Buch zu lesen, denn es beschreibt vieles, was heute tatsächlich vergessen zu werden droht: wie verbreitet der Überdruss mit dem Kapitalismus in den 30er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war, wie viele Menschen im Kampf um Bürgerrechte umgebracht wurden, vieles andere mehr. Zinn zeigt auch, welche fatale Rolle der Patriotismus und jene mystischen „amerikanischen Werte“ bei der Zerschlagung und Integration der Arbeiterbewegung gespielt haben. Während also die fortschrittlichsten Amerikaner in den Knast gehen, wenn sie die Fahne ihrer Nation verbrennen, kleiden sich hierzulande manche Linke in Stars & Stripes – vielleicht schaut der eine oder andere von ihnen in dieses Buch. Dann trüge Zinn bestimmt zur Aufklärung bei.
Howard Zinn (2007) Eine Geschichte des amerikanischen Volkes. Berlin: Schwarzer Freitag.
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