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Kritik der Psychologie

"Das neue Opium des Volkes" nennt der Sozialwissenschaftler Albert Krölls die Psychologie. "Ein Scheitern am Arbeitsmarkt oder bei der Liebeswerbung, Ärger in der Familie oder im Büro, Angst vor dem Atomkrieg oder dem Alleinsein lassen auf eine falsche Einstellung schließen", schreibt er mit beißender Ironie. Als Alltagsreligion leiste die Psychologie heute einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass die Menschen sich den gesellschaftlichen Forderungen anpassen. Krölls kritisiert die affirmative Leistung der Theorien von Behavioristen genauso wie die der Tiefenpsychologen, eigentlicher Gegner aber ist der "Psychomarxismus Adornos und Horkheimers". Dass die beiden den Antrieb für Rassismus und Antisemitismus im sogenannten „autoritären Charakter“ verorteten, sei letztlich verharmlosend, weil so das Bild einer widerspruchsfreien Entsprechung von Unterwerfungswillen und Herrschaft entstünde.
Eine aktuelle Analyse des "Gebrauchswert für die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft" von Psychologie und Therapiegläubigkeit, die Krölls verspricht, wäre verdienstvoll gewesen. (Dazu allerdings hätte gehört, nach den Gründen zu fragen, warum den Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft die entsprechenden Ansichten so schrecklich plausible erscheinen.) Die Attacke auf den Psychologismus gerät leider zum Schlag ins Wasser, weil er darauf besteht, deren methodische Grundlagen widerlegen zu wollen – und zwar ziemlich hausbacken. Gemeinsamer Kern aller psychologischen Theorien sei die Idee, der Wille der Kranken sei gestört, und sie in ihren Handlungen fremdbestimmt. Krölls dagegen bezweifelt grundsätzlich, dass menschliches Verhalten "zumindest teilweise bedingt" sei. Wie dann allerdings eine Wissenschaft vom Menschen aussehen soll, behält er für sich. Verhalten auf nicht unmittelbar beobachtbare "Triebe" oder "Motivationen" zurückzuführen, sei an sich tautologisch. Selbst wenn das der Fall wäre, die angebotene Alternative ist wenig überzeugen: alle tun angeblich immer genau das, wozu sie sich entschieden haben. Und obwohl eigentlich denunziert werden soll, wie die Psychologie durch ihr deterministisches Menschenbild entmündigt, endet der Autor schließlich selbst beim Biologismus: "Noch kein Forscher hat je den Todestrieb unter dem Mikroskop oder im Reagenzglas zu entdecken vermocht." Diese "Kritik der Psychologie“" führt nicht weit. Den Versuch war es wert.

Albert Krölls (2006): Kritik der Psychologie: Das moderne Opium des Volkes. Hamburg: VSA–Verlag.

 

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