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(erschienen in STYLE November 2006)

Ebenso unbescheiden und angemessen lautet der Titel der Lebenserinnerungen John Peels. Wahrscheinlich wäre er vor Scham im Boden versunken, hätte er noch das Erscheinen dieses Buches erlebt, schließlich war Peel nicht nur der wichtigste, sondern auch der schüchternste Plattenaufleger der Welt. Seine fast aggressive Bescheidenheit und wilde Selbstironie machten ihm seinen Status als Prominenter zur Qual; er tat alles, um seine Verehrung als Popstar zu behindern. Das englische Original heißt, seinem Geschmack wohl mehr entsprechend, „Der Markgraf der Sümpfe“ und spielt auf Peels frühen Berufswunsch an: der junge Mann aus Nordengland sah sich zu einer gesellschaftlich nützlichen und einträglichen Arbeit einfach nicht in der Lage. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geboren, war John ein tief unglückliches Kind. „Vater, so entschied ich irgendwann, existierte vermutlich gar nicht“, schreibt er. Von seiner Mutter vernachlässigt und seinen Mitschüler gequält treibt er ziellos durchs Leben, bis endlich die Rockmusik in sein Leben tritt.
Im Plauderton assoziiert Peel sich kreuz und quer durch sein Leben, wobei die unglaublich offenherzigen Beschreibungen seiner Kindheit am eindrucksvollsten sind. Kein Zufall, dass die Popmusik in England (und dort vor allem im proletarischen Norden) geboren wurde. In dieser Gesellschaft im Niedergang, geprägt von sexueller Unterdrückung und rigiden Konventionen, träumten Teenager von Liebe und Freiheit, von der Flucht aus einer bösen und hässlichen Welt. Peel fand seine Lebensaufgabe darin, an der Verschönerung mitzuarbeiten. Als DJ und Journalist spielte er seit den 60er Jahren alles, was ihm innovativ erschien, ohne Rücksicht auf Massengeschmack und Spartenvorschriften. Sein Arbeitsprinzip beschrieb er einmal mit dem Satz: „Ich möchte einfach etwas hören, was ich noch nie zuvor gehört habe.“ Die Liste seiner Verdienst ist lang: er spielte als erster im öffentlich-rechtlichen Radio Reggae, ebenso Hiphop, förderte das Obskure und Schwierige von Punk und Wave über Grindcore und Techno bis zu Grime.
Leider starb John Peel im Oktober 2004. Deshalb erzählt den größeren Teil seines Lebens seine zweite Ehefrau Sheila, die sich stellenweise in epischen Beschreibungen ihres gemeinsamen Familienlebens verliert. Dennoch ist sind die Memoiren eine amüsante Lektüre und erzählen nebenbei ein wichtiges Kapitel der Popgeschichte, das der Junge aus Burton in Cheshire zu schreiben half.

John Peel (2006): Memoiren des einflussreichsten DJs der Welt. Berlin: Rogner & Bernhard bei Zweitausendundeins.

 

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