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Schwierige Gegenwehr in neoliberalen Zeiten

Als im Herbst vor zwei Jahren die Bochumer Opel-Arbeiterinnen und Arbeiter in Streik traten, hofften viele in Deutschland auf einen Kampf mit Signalwirkung. „Haltet durch!“, so lautete der Tenor der zahlreichenden Solidaritätsadressen an die Streikenden. Endlich ein sichtbares Zeichen, dass sich die Arbeitenden in der Großindustrie nicht alles gefallen lassen müssen, ein Fanal gegen den Durchmarsch der Arbeitgeber überall!
Die von Jochen Gester und Willi Hajek herausgegebenen Berichte, Interviews und Analysen, mit dem etwas unglücklichen Titel „Sechs Tage der Selbstermächtigung“, ermöglichen eine seltene Innenansicht dieses Arbeitskampfes. Frei von Romantisierung oder Idealisierung wird beschrieben, wie es zum Streik kam. Auf den über 200 dichtgepackten Seiten wird auch deutlich, wie schwierig Gegenwehr heute ist, wie erpressbar sich die Arbeitenden heute fühlen, wenn sie mit der Arbeitslosigkeit bedroht werden.
Die Hoffnung, dass von Bochum ein Flächenbrand ausgehen könne, trog. Der Ausstand dauerte letztlich nur sechs Tage und weitete sich nicht zum Flächenbrand aus, der Streik in dem Bochumer Werk blieb der einzige bei General Motors (GM), obwohl die Sparpläne des Konzerns durchaus auch andere Belegschaften treffen sollten. Hätten allerdings damals tatsächlich alle GM – Belegschaften im langfristigen Eigeninteresse gehandelt und solidarisch die Arbeit niedergelegt, wie es die Bochumer immer wieder auf Transparenten forderten, hätte der Arbeitskampf eine ganz neue Dimension erhalten: der erste transnationale Streik in einem transnationalen Konzern. Das es dazu nicht kam, haben auch die IG Metall und der DGB zu verantworten. Ihre internationale Strategie namens „Share the pain!“, nach der ein Rationalisierungsangriff nicht etwa verhindert, sondern nur gleichmäßig verteilt werden soll, bestand noch nicht einmal die Belastungsprobe in Deutschland, als GM recht erfolgreich versuchte, die Werke Rüsselsheim und Bochum gegeneinander auszuspielen – von praktischer Solidarität zwischen den schwedischen, englischen und deutschen Arbeitern ganz zu schweigen.
Ein selbstorganisierter Streik außerhalb des deutschen Arbeitsrechts, wie er im Oktober 2004 stattfand, passt offensichtlich nicht ins gewerkschaftliche Konzept. Mit vereinten Kräften arbeiteten Gewerkschaftsfunktionäre, Politiker und Medien daran, die Opelaner wieder „zur Vernunft zu bringen“. Sogar der SPD-Politiker Wolfgang Clement bedrängte damals die Streikenden, doch wieder zu arbeiten, weil unter Druck sich doch nicht verhandeln ließe. So wurde der Streik abgebrochen, bevor er GM wirklich weh tun konnte.
Das Buch bleibt aber nicht bei einer Nacherzählung der Ereignisse stehen, sondern analysiert sie im größeren Zusammenhang. In einem kurzen historischen Exkurs wird die Geschichte wilder Streiks in der Bundesrepublik dargestellt. Deutlich wird, dass es bis in die 70er Jahre eine lebendige Tradition von Arbeitskämpfen ohne die Gewerkschaften gab. Die Rolle der IG Metall wird – kaum überraschend für eine Veröffentlichung aus gewerkschaftsoppositionellen Kreisen – äußerst kritisch beleuchtet. Die Herausgeber gehören zur gewerkschaftskritischen Gruppe „Gegenwehr ohne Grenzen“, die schon seit den frühen 70er Jahren bei Opel aktiv ist. In den Interviews weisen die Gesprächspartner des öfteren darauf hin, dass es ohne die Aktivisten von MLPD und GOG wohl kaum zu dem Streik gekommen wäre. Kampftradition und Arbeitsalltag werden lebendig dargestellt, darin liegt die eigentliche Stärke dieses Buchs: es bietet wertvolle Einblicke in die wirklichen Lebensverhältnisse der Opel-Arbeiterinnen. Abgesehen von der kenntnisreichen Analyse der Krise im Automobilsektor wird die Strategie der IG Metall mit deutlichen Worten kritisiert, samt der antiamerikanischen Tendenzen, die sich aus dem Inneren des Gewerkschaftsapparats Bahn brechen.
Folgt man dieser Darstellung, lautet das Fazit etwa: was die Chefs von GM im Oktober 2004 an Einsparungen forderten, wurden von den Bochumern als Provokation begriffen. Sie reagierten, teils zögernd, ohne auf die Gewerkschaft zu warten. Sie versäumten aber, eine unabhängige Streikleitung zu gründen und kritisierten den Vertretungsanspruch durch die Gewerkschaften nicht praktisch. Rückblickend bewahrten sie durch ihren Streik vor allem ihre Würde und setzten höhere Abfindungen durch. „Ich kam von der Pause“, wird in einem Interview berichtet, „da kam raus: Abfindungen werden gezahlt. Enorme Abfindungen. ... Ja, und dann kam das Wochenende. Da haben sie sich wohl alle mal zu Hause hingesetzt und das durchgerechnet. 15 bis 17 Jahre bis zur Rente.“ Die Konzernleitung wollte erst verhandeln, wenn die Produktion wieder angefahren würde – und so gab es die Gewerkschaft nach sechs Tagen weiter. „Soll die Arbeit wieder aufgenommen und verhandelt werden?“, lautete sinngemäß ihre manipulative Frage. Natürlich war kaum jemand gegen Verhandlungen, aber das einzige Druckmittel aus der Hand geben. Die Belegschaft befürwortete das mit einer Mehrheit von 70 Prozent.
Um der Mythenbildung vorzubeugen: dieses Ergebnis kam nicht zustande durch den Verrat ihrer Gewerkschaft, sondern auch wegen des fehlenden Vertrauens in die eigene Stärke. Jochen Gester: „Die Belegschaft hat damit auch ein Urteil darüber abgegeben, für wie belastbar sie in der konkreten Situation die Solidarität der Belegschaften hielt und was sie der Gewerkschaftsopposition zutraut.“

Jochen Gester / Willi Hajek (2006) Sechs Tage der Selbstermächtigung. Der Streik bei Opel in Bochum Oktober 2004. Berlin: Die Buchmacherei.

 

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