Home

Texte

Kommentar

Rezensionen

Radio

Schublade

Bilder

Links

 

Kontakt

 

 

 

 

 

Computerexperten gelten als weltabgewandt, sie haben schlechte Haut, weil sie nicht nach draußen gehen und für gesunde Ernährung keine Zeit haben, sondern ihre Tage und Nächte programmierend vorm Bildschirm verbringen, und weil sie sich für nichts wirklich interessieren, interessieren sie sich für Computer. Ganz ungewöhnliche Vertreter sind Paul Cockshott und Allin Cottrell, zwei schottische Wissenschaftler, die nicht nur an der Verbesserung der Computertechnik arbeiten, sondern deren gesellschaftlichen Potenziale freisetzen wollen. Weil das aber unter den gegebenen Eigentumsverhältnissen unmöglich ist, sind sie Marxisten.
1993 veröffentlichten sie "Towards a New Socialism", dessen deutsche Übersetzung nun mit einiger Verspätung erschienen ist. Cockshott und Cottrell reagierten mit ihrer Streitschrift sowohl auf den Zusammenbruch des realsozialistischen Blocks, als auch der Sozialdemokratisierung der britischen Linken. Sie zeigen darin, inwiefern gesellschaftliche Planung der Steuerung durch die Märkte überlegen ist. Damit wenden sie sich direkt gegen das Dogma von Hayeks und seiner neoliberalen Nachfolger, nach dem nichts der Informationsverarbeitungsmaschine Markt überlegen ist. Sie entwickeln detaillierte Modelle auf der Basis der Marx’schen Arbeitswerttheorie, um die Produktion zu planen und zu kontrollieren. (Diese nachzuvollziehen verlangt allerdings viel Geduld oder mathematische Kenntnisse.) Die bereits existierenden informationstechnischen Produktivkräfte könnten, so ihre Kernthese, viele Probleme der Planwirtschaft lösen. Großen Wert legen sie auf die Transparenz dieser Planung: auf frei zugänglichen Datenbanken und klaren Berechungen der Arbeitsleistung der Produzenten ließe sich eine direkte Demokratie fundieren.
Die beiden Autoren sind überzeugte Leninisten (wenn auch solche auf der Höhe der Zeit). Das Modell einer Rätedemokratie tun sie unwillig ab, ebenso einen „idealistischen Sozialismus“, der annimmt, alle Widersprüche lösten sich nach der Revolution in Wohlgefallen auf. An alles ist gedacht: an den Handel mit dem nicht-sozialistischen Ausland und die Besteuerung von Konsumgütern. Fraglich, ob ihre Ratschläge jemals umgesetzt werden, immerhin verweisen sie darauf, dass die Gesellschaft ihre Produktion nicht dem Wert und dem Markt überlassen muss. Dieser Beitrag zur politischen Ökonomie ist so provokant wie unzeitgemäß; das ist seine Stärke.

W. Paul Cockshott / Allin Cottrell (2006): Alternativen aus dem Rechner: Für sozialistische Planung und direkte Demokratie. Köln: PapyRossa.

 

Mehr Rezensionen