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Wer kontrolliert die Medien?Auch wenn es Linke vom Schlage Noam Chomsky gerne hätten: auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Die Medien bilden ein offenes System, in dem verschiedene Akteure aktiv sind und die Produktion von Unterhaltung und Nachrichten beeinflussen. Um nur einige zu nennen: die kulturelle Umstände, journalistische Praktiken und Ideologien, staatliche Einflußnahme, die Interessen der Besitzer von Medienunternehmen, der Druck des Marktes, sogenannte pressure groups, die sich wandelnden Strategien der Quellen, die versuchen ihre Botschaften zu vermitteln – sie alle beeinflussen Form und Inhalt der Medien. einen fortwährenden Kampf beider Seiten um größere Autonomie und Kontrolle über die politische Kommunikation, als Reaktion auf ihre gegenseitige Abhängigkeit und auf die Beschränkungen, die eine solche Abhängigkeit mit sich bringt (205). In dieser Auseinandersetzung geht jede Seite ständig von Annahmen über die andere aus, und versucht ihre Strategie neu abzustimmen. Blumler und Gurevitch zitieren zustimmend Dan Nimmo’s wichtige Einsicht: “Politische Nachrichten sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Journalisten, die Ereignisse sammeln und berichten, und andere Kommunikatoren wie Politiker und Pressesprecher, die diese zur Verfügung stellen”. Sie weisen darauf hin, daß dieses Verschmelzen geschieht, weil “beide Kommunikatoren ausreichen ausreichend motiviert sind, die andere Seite zu untersuchen, um ihre Interessen durchzusetzen” (1995: 26).
Das Medienprodukt – eine besondere Ware? Erstens, wo keine Knappheit herrscht gibt es keine Rechtfertigung, den Zugang durch den Preis einzuschränken. Zweitens, die Einführung einer Preisbarriere senkt den Gesamtnutzen, weil es die ausschließt, die das Gut oder die Dienstleistung konsumiert hätten, wäre es kostenlos, ohne den Nutzen für die zu steigern, die weiterhin konsumieren (Garnham 2000 b: 57). Daher ist Information schwieriger zu verwerten als etwa Lebensmittel. “Es war zunächst schwierig, jene Knappheit zu erzeugen, auf der Preise beruhen (...) eine Reihe von Strategien mußten entwickelt werden, die künstlich den Zugang beschränken, um so Knappheit zu erzeugen” (Garnham 2000: 80). Das gleiche gilt auch für andere Dinge und Leistungen, etwa Eisenbahnfahrten. Die Verwirrung wird noch gesteigert durch die Tatsache, daß die Medienprodukte auf gewisse Art doppelte Waren sind, denn sie zielen in erster Linie auf Anzeigenkunden und dann auf die Konsumenten, an die den Gebrauchswert eines bestimmten Medienprodukts verkaufen (vergleiche beispielsweise Fiske 1989). Bei Druckmedien stammt der Großteil der Einkünfte aus der Werbung, beim Privatfernsehen alle. Selbstverständlich sind beide Aspekte verbunden, denn um Werbekunden anzuziehen müssen die medialen Waren (bestimmte) Konsumenten ansprechen. Wie in den anderen Kulturindustrien sind auch hier die Produktionskosten (die Kosten, die nötig sind, um die erste Kopie herzustellen) im Vergleich mit den Kosten der Vervielfältigung (Pressen, Distribution usw.) hoch. Das führt dazu, daß die Gewinne von jedem weiteren Verkauf relativ anwachsen, was wiederum zu einem starken Drang führt, das Publikum zu vergrößern (Toynbee 2002: 155). Der Grund für die relativ hohen Produktionskosten des Originals sind die notwendigen Anteile von handwerklichem oder künstlerischen Aufwand. Diese individuelle Kreativität erklärt, warum kulturelle Produktion niemals vollständig industrialisiert werden kann. Theodor Adorno erklärt deshalb den Begriff Kulturindustrie folgendermaßen: Der Ausdruck Industrie sollte nicht wörtlich genommen werden. Er bezieht sich auf die Standardisierung der Sache selbst... und auf die Rationalisierung der Distributionstechniken, nicht strikt auf die Produktion. Obwohl im Film, dem zentralen Sektor der Kulturindustrie, der Produktionsprozeß technischen Herstellung ähnelt in der extremen Arbeitsteilung, dem Einsatz von Maschinen und der Trennung der Arbeiter von den Produktionsmitteln bleiben individuelle Produktionsformen erhalten (1991: 14). John Clarke beschreibt deshalb diese spezifische organische Zusammensetzung der kulturindustriellen Produktion folgendermaßen: Diese Prozesse... schließen oft eine Beziehung zwischen unternehmerischer Produktion und Distribution einerseits und halb-autonomer oder kleinbürgerlicher Warenproduktion andererseits ein. Musik, Film und Fernsehen sind die besten Beispiele für die Einschließung von “kreativer Arbeitskraft” in der kulturellen Produktion, bei der Kreativität eingekauft oder aus der Struktur der Konzerne ausgelagert wird (Clarke 2000: 289; siehe auch Garnham 2000). Kaum eine Industrie so monopolisiert wie die Medien, denn nirgendwo sonst ist schiere Marktmacht ein solcher Vorteil. Die niedrigen Reproduktionskosten “motivieren die Unternehmen verschiedene Geschäftstaktiken und –strategien anzuwenden, um das Publikum und den Verkauf zu vergrößern” (Van Gompel et al. 2002: 164). Die Konzentration geht in der momentanen Krise unvermindert weiter – besonders seit 1996 in den USA ein geändertes Kartellrecht in Kraft getreten ist (mit dem schönen Namen Freedom of Information Act) und die Welthandelsorganisation oft erfolgreich Nationalstaaten dazu drängt, ihre ”geschützten Medienmärkte zu öffnen”. Beispiel Zeitungsmarkt: in England teilen sich im wesentlichen drei Konzerne den gesamten Markt, ebenso in Deutschland.
Die durchschnittliche australische Familie ist jeden Tag 1 100 Werbungen ausgesetzt. 539 in Zeitungen und Zeitschriften, 374 im Fernsehen, 99 im Radio und 22 im Kino. Der Rest sind Leuchtreklamen oder auf Plakatwänden, Taxis, Bussen, in Schaufenstern und Supermarktkassen. Aber, so stellte die Untersuchung fest, die Menschen erinnern sich nur an drei bis vier Werbungen am Tag... (Fiske 1989 b: 31). Solche Studien untersuchen nur kurzzeitige Effekte ausgerichtet, erfassen also nicht die Langzeitwirkungen dieses Bombardements. Dennoch müssen solche Ergebnisse zu denken geben. Sie zeigen Grenzen der Medienmacht, und schließlich ist dem Kommunismus mit unrealistischen Manipulationstheorien nicht geholfen.
Um also zusammenzufassen, die Eigenarten der medialen Ware sind im wesentlichen:
Öffentlichkeit und parlamentarische Demokratie Die Massenmedien müssen freigehalten werden vom Druck politischen und funktionalen Eliten; sie müssen in der Lage sein, Diskurse der öffentlichen Meinungsbildung anzuregen und aufrechtzuerhalten, ohne die kommunikative Freiheit des kritischen Publikums einzuschränken (Habermas 1996: 442). ist das folgende eine normative Forderung oder eine Beschreibung? Es ist beides: ein Ideal, das die kapitalistische Wirklichkeit nicht einlösen kann, und eine Beschreibung der Funktion von Öffentlichkeit in der bürgerlichen Demokratie. Auch wenn Mediensysteme diese Forderung gegenwärtig nicht erfüllen und auch niemals erfüllt haben, das diskursive Ebene ist unverzichtbar für den Parlamentarismus (kritisch dazu Fraser 1993). Worin also besteht die Rolle der Öffentlichkeit? Liberalen Demokratie ist definiert durch gesetzlich geregelte Prozesse und durch politische Repräsentation. Alle Frage von öffentlichem Interesse stehen zur öffentlichen Debatte (Schudson 2000: 146). Die politische Vermittlung findet nicht nur in den Parlamenten statt, sondern innerhalb der Medien. Aber diese öffentlichen Debatten finden statt innerhalb eines kapitalistischen Marktes, wo verschiedene Medienanbieter miteinander konkurrieren, Oligopole oder Monopole entstehen etc. In diesem Markt müssen die symbolischen Formen profitabel für Unternehmer sein, um zu zirkulieren. Das seltsame an der Öffentlichkeit im Kapitalismus – in Wirklichkeit ist der Begriff Öffentlichkeit außerhalb des Kapitalismus sinnlos! – ist, daß die notwendige Vermittlung einer warentauschenden Gesellschaft selbst in der Form des (medialen) Warentauschs organisiert ist. Die Grenzen jedes Publikums sind veränderlich, je nach dem wie viele Menschen sich erregen oder sich zu langweilen beginnen und das Interesse verlieren. Aber soweit die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf eine Debatte über ein bestimmtes Thema gerichtet ist, bilden sie eine Gemeinschaft – ein einziges Publikum – unabhängig von der unterschiedlichen Meinung, die beide Seiten trennt (Lang / Lang 1983: 13).
Eskalation und Selbstbezug Wenn Menschen glauben daß sich andere von ihnen abwenden leiden sie so sehr, daß sie durch ihre Sensibilität so leicht geleitet oder manipuliert werden können als gingen sie am Zügel. Die Furcht vor Isolation scheint der Antrieb zu sein, der die Schweigespirale in Bewegung setzt (Noelle-Neumann 1993: 6). Auch wenn das nur für Publikumsteile gilt die keine persönlichen Beziehungen miteinander haben und insgesamt davon abhängt, wie repressiv das gesellschaftlichen Klima ist, solche Schweigespiralen beeinflussen häufig das Verhalten der Medien.
Eine postdemokratische Gesellschaft? Es ist durchaus möglich, daß die Ära der rein repräsentativen Regierung zu Ende geht. In den letzten Jahrzehnten ist die Rolle der Öffentlichkeit immer widersprüchlich geworden. Die Distributionssphäre und Zirkulationssphäre hat sich räumlich und sozial immer weiter ausgeweitet. In den Metropolen nehmen mehr und mehr alltägliche Funktionen Warenform an. Die Peripherie wird immer urbaner, zwischenmenschliche Beziehungen werden säkularer und institutionalisiert. Technische Fortschritte, besonders in der Telephon- und Computer-technologie, machen eine größere Dichte und Geschwindigkeit der Kommunikation möglich. Allgemein hat die Wandlung vom Fordismus zu einem neuen Organisation der Akkumulation zu einer neuen Stufe der Raumzeit-Kompression geführt, wie sie David Harvey beschreibt (1990: besonders 260-86). Allerdings sollte diese nicht überschätzt werden. Nicholas Garnham hat mit Recht darauf hingewiesen, daß besonders Kulturkonsum, der auf Entspannung und ein anderes Zeitempfinden beruht, sich widerspenstig gegenüber solche Intensivierung zeigt (2000: 79), die letztendlich eine Intensivierung der Arbeit bedeutet. Die Tage der wirklichen Entscheidungsmacht der Parteimitglieder sind schon lange vorbei (...) Vielleicht müssen wir einfach akzeptieren, daß die Alleswisser recht haben, die sagen, daß Parteipolitik am Ende ist, und daß die Politiker direkt auf die Wähler über die Medien einwirken können (...) Es gibt so viele verschiedene Arten, wie Bürger heute sich an politischen Prozessen beteiligen können: Anrufe bei Radioshows, Demonstrationen zum Parlament, Konsumentenboykotts, Fokusgruppen, sogar Internetumfragen. Letztendlich sind Parteien auch nur Maschinen: wenn Maschinen überflüssig werden, werden sie verschrottet (‘Fighting Talk’, Guardian 28. 9. 2002). Dieser Kommentar, durchaus typisch, verbindet die Sphäre der Medien mit der der Politik. Eine Praxis kann die andere ersetzen, zumindest als Surrogat fungieren. Was beide Praxen gemeinsam haben, ist das Element der Repräsentation, das “Sprechen für andere”. Heute reagieren westliche Regierungen extrem schnell auf das Schwanken der öffentlichen Meinung. Aber diese Reaktionen bestehen üblicherweise in reinen PR-Aktionen rein (Philo / Miller 2001: 18 und passim). So sichern sie sich akklamatorische Legitimität. Indem die Medien dabei mitspielen und die Politiker an Populismus noch zu überbieten versuchen, tragen sie zur “Schwächung der repräsentativen Demokratie” bei, ohne daß eine bessere gesellschaftliche Alternative zur Zeit zu haben ist. Statt dessen entsteht eine “direkte Ersatz- Demokratie” (Blumler / Gurevitch 2000: 130; siehe auch McNair 1997: 97-8).
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