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Vor zwanzig Jahren taufte die englische Boulevardpresse linke Kommunalverwaltungen, wenn sie Städtepartnerschaften lieber in Nicaragua statt Frankreich suchte und homophobe und rassistische Literatur aus den lokalen Büchereien verbannte, spinnerte Linke, loony left. Heute hat es ihr angesichts dessen, was die Linken treiben, so die Sprache verschlagen, dass kaum noch ein Wortspiel herauskommt. Sogar das Gossenblatt The Sun, eigentlich nie um eine Zote verlegen, kam ins Stammeln. Ein "Selbstmordbombenrapper" sei Aki Nawaz, der Texter und Sänger der englischen Hiphop-Crew Fun-Da-Mental. Dessen neues Album mit dem Titel All is War – The Benefits of G-Had setzt ganz offensiv die Gleichsetzung der beiden Seiten im sogenannten Krieg gegen den Terror. Dass Nawaz in einem Stück aus der Perspektive eines Selbstmordattentäters rappt, empörte einen Parlamentsabgeordneten so, dass er forderte, den Musiker wegen Aufforderung zum Terrorismus anzuklagen.
Englische Linke wie die trotzkistische Socialist Workers Party solidarisierten sich prompt mit Nawaz und seiner Crew und verurteilten die Kritik an ihnen als Zensur. Die Provokation war kalkuliert, nicht aber, dass sich die Plattenfirma weigern würde, das Album zu veröffentlichen. Mittlerweile wird es übers Internet vertrieben. Fun-Da-Mental traten in der Vergangenheit oft auf antirassistischen Festivals auf. Der Teil der Bewegung, der schon immer ganz genau wusste, wer Opfer und wer Täter ist, hat die Rollenverteilung ins Weltpolitische aufgeblasen – auch wegen der kolonialen Vergangenheit der Nation. Im Eifer des üblichen Gefechts überhörten sie noch ganz andere Töne auf der Platte. "Ich lehne es ab, eure Demokratie, ein einziger Betrug (...) euer Schweinefleisch und Bier, euer linker pseudoradikaler Scheiß, (...) eure Minirockbefreiung".
Unbeeindruckt erklärte sich John Pandit von Asian Dub Foundation mit Nawaz solidarisch. Er kenne ihn seit den frühen 80er Jahren aus der antifaschistischen Bewegung, seitdem habe er sich politisch nicht verändert. Asian Dub Foundation sind nicht irgendeine obskure Band, ihre Mischung aus orientalischen Klängen und elektronischer Tanzmusik ist kommerziell erfolgreich und bei Migranten wie Eingeborenen gleichermaßen beliebt. Während Nawaz große antiwestliche Töne spuckt, haben sie die Musik zu einem Musical in London beigesteuert. "Gaddafi – eine lebende Legende" erzählt die Laufbahn des libyschen Politikers als Heldengeschichte. Steve Chandra Savale, ein anderes Mitglied der Formation, orakelt über den Sinn des Stückes, als habe er zuviel vom schwarzen Afghanen genossen. "Es hat mich gereizt, ein Anti-Musical zu machen, Ziggy Stardust rückwärts."
Gaddafis Hang zum Theatralischen geht bekanntlich soweit, Staatsgäste in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Beduinenzelt zu empfangen. Obwohl ohnehin ein Star ist, verhilft ihm das antiimperialistische Musical von Produzent David Freeman zu ganz neuen Ehren – eine schmissige Verbindung von Führerkult und Entertainment, die der Popkultur ja niemals fremd war. Wir warten gespannt auf die nächste Saison in der Musicalstadt, vielleicht "Kim Il-sung – ein Mann geht seinen Weg".
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