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Sägen am Stuhl des Premierministers
In Großbritannien fordern mittlerweile auch rechte Labour-Politiker den Rücktritt Tony Blairs.
Der Druck auf Tony Blair, ein Datum für seinen Rücktritt festzulegen, wird immer größer. Am Sonntag überraschten die Labour-Abgeordneten Sion Simon und Chris Bryant die britische Öffentlichkeit mit ihrer Forderung, der Premierminister solle den Weg für einen Nachfolger freimachen. Die beiden gehören zum rechten, sprich neoliberalen, Flügel der Partei. Viele Kommentatoren deuten die Tatsache, dass sich die beiden engen Vertrauten Blairs von ihm distanzieren, als Zeichen, dass der Regierungschef sich nicht mehr lange an der Macht halten kann. Am Mittwoch (6. 9.) traten sogar die beiden Regierungsmitglieder Tom Watson und Khalid Mahmood aus Protest zurück.
Denn trotz zahlreicher öffentlicher und halböffentlicher Aufforderungen aus seiner Partei klammert Blair sich weiter an sein Amt. Ursprünglich hatte er die Absicht, die ganze Wahlperiode bis 2008 zu regieren. Aber nach den für Labour katastrophalen Kommunalwahlen im Mai kündigte er an, er werde früher zurücktreten, um seinem Nachfolger "ausreichend Zeit zu geben, sich einzuarbeiten". Seitdem beschäftigt die Frage nach Zeitpunkt und Nachfolger die Medien. Im Gespräch sind der Finanzminister Gordon Brown und der Innenminister John Reid, die Parteilinke hat den gewerkschaftsnahen John McDonnell ins Rennen geschickt.
Gordon Brown gilt als Favorit, ihn trennt politisch kaum etwas von Blair. Aus dem versprochenen "geordneten Übergang" wird aber wohl nichts werden. Am 24. September beginnt Labours Parteikonferenz in Manchester,, die jährliche Gelegenheit für die Mitglieder, ihren Unmut über die Regierungspolitik zu Protokoll zu geben. Viele Sozialdemokraten hatten gehofft, Blair werde diese Gelegenheit nutzen, um seinen Zeitplan offen zu legen. Über 50 Abgeordnete hatten einen entsprechenden offenen Brief unterzeichnet. Ihre Hoffnung zerstörte Blair am Wochenende in einem Interview mit der Tageszeitung The Times.
Am Montag veröffentlichte der Daily Mirror einen detaillierten Plan von Downing Street No 10 für die Medienstrategie rund um den Abgang des Premiers. „Er muss gehen, wenn die Menge nach mehr verlangt. Er sollte der Star sein, der nicht einmal eine Zugabe gibt“, heißt es darin. Wer dieses Dokument dem Boulevardblatt zukommen ließ, ist unklar. Sicher ist, das es als beispielhaft für den Realitätsverlust New Labours gelten kann. Der Irakkrieg wird darin mit zwei Sätzen abgetan, stattdessen werden minutiös Talkshowauftritte und öffentlichen Reden geplant.
Die meisten Briten reagierten auf die Veröffentlichung zynisch. Die Geschehnisse der vergangenen Woche sind schließlich nur der letzte Akt eines überlangen Schauspiels: die beiden Fraktionen um Blair und Brown kämpfen mit angeblich „vertraulichen Notizen“, die absichtvoll der Presse zugespielt werden und ähnlich durchsichtigen Manövern um die Führung der Partei, während politische Inhalte in dieser Auseinandersetzung gänzlich abwesend sind. Unterdessen bauen die oppositionellen Konservativen ihre Führung in denn Meinungsumfragen aus. Für John McDonnell, den Kandidaten des linken Parteiflügels, schadet die gegenwärtige Debatte Labour. "Es geht nicht nur darum, wann Blair geht, sondern um seine verfehlte Politik und darum, dass sein manipulativer Regierungsstil das Vertrauen der Bevölkerung in uns zerstört hat. Ein Wechsel der Parteiführung ohne einen Politikwechsel wird nichts nutzen."
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