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Globalisierungskritiker tanzen ums goldenen Kalb Finanzkapital in Davos
Vom Antisemitismus zum Antizionismus und zurück
Die Ausstellung "Antisemitismus? Antizionismus? Israelkritik?" wirft Schlaglichter auf hässliche Allianzen und fatale Argumentationen.
(Junge Welt, August 2007)
Am Mittwochabend wurde die Ausstellung im Auswärtigen Amts in Berlin offiziell eröffnet. Sie wurde von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und dem Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung erstellt und dokumentiert Filmaufnahmen, Karikaturen, Fotos und Flugblätter aus verschiedenen Regionen der Welt. Die Schauwände bilden eine Art Labyrinth: Das Thema wird nicht linear, etwa anhand seiner historischen Entwicklung, dargestellt. Vielmehr überlappen sich "Antisemitismus in Zuwanderergesellschaften", der Judenhass im politischen Islam und der von Rechtsextremen auch in der Ausstellung selbst.
Schon der Titel "Antisemitismus? Antizionismus? Israelkritik?" zeigt, dass es den Machern darum geht, Gemeinsamkeiten judenfeindlicher Einstellungen zu belegen. Dabei wollen sie die drei Begriffe keineswegs gleichsetzen. Doron Avraham, ein Mitarbeiter von Yad Vashem, betonte, man dürfe den Begriff des Antisemitismus nicht inflationär einsetzen und mit ihm Kritik an der Politik Israels abwehren. Die Ausstellung soll stattdessen gemeinsame Argumentationsmuster sichtbar machen und so auch "Antisemitismus", "Antizionismus" und "Israelkritik" von einander abgrenzen.
Leider gelingt nur das erste Vorhaben. Offensichtlich richtet man sich an Besucher ohne Vorwissen; einiges ist oberflächlich und so stark vereinfacht, dass es verdächtig nach Sozialkundeunterricht 10. Klasse klingt ("Rechtsextreme Täter begehen Gewalttaten nicht selten als Folge einer durch Musik und Alkoholgenuss aufgeputschten Stimmung."). Bilder von Friedhofsschändungen stehen unverbunden nebeneinander; Propagandamaterial aus Ägypten neben solchem aus Deutschland. Dem Betrachter sollen Übereinstimmungen selbst ins Auge springen, und tatsächlich – in verschiedenen Formen taucht dasselbe Ressentiment immer wieder auf. So wird die zentrale These, der Antisemitismus lebe in neuen Formen weiter, mehr oder weniger verborgen, plausibel. Der Antizionismus überschreit die Grenze zum Antisemitischen, wo er vom Staat der Juden anderes erwartet und fordert als von den anderen bürgerlichen Staaten. Weil die Tatsache des Massenvernichtung den Angriffen auf die Existenz Israels im Wege steht, wird der Holocaust geleugnet oder verharmlost. Besonders in Karikaturen wird er immer wieder mit der israelischen Besatzungspolitik gleichgesetzt. Antisemitische Israelkritik dämonisiert ihre Gegner und nutzt religiöse Motive aus der jüdischen Tradition, die angeblich hinter dem staatlichen Handeln Israels stehen.
Die Antisemiten verschiedener Couleur bedienen sich nicht nur der gleichen Motive, sondern auch derselben Theorie – derselben Verschwörungstheorie. Im Verborgenen sollen die Juden die Fäden ziehen, ihre "Lobby" in der Lage sein, eine Weltmacht in den Krieg zu treiben. Jüngstes Beispiel ist das Gerücht, "jüdische Kreise" hätten von der Planung der Anschläge am 11. September 2001 gewusst, deshalb seien damals keine Juden umgekommen. Obwohl durch die Anschläge über 400 Menschen jüdischen Glaubens starben, verbreitete unter anderem der Sender Al-Dschasira die Behauptung in alle Welt, und in aller Welt wurde sie nur zu gerne geglaubt.
Fast überall auf der Welt ist der Antisemitismus auf dem Vormarsch. Seine staatsoffizielle Bekämpfung allerdings nimmt sich merkwürdig aus. Es passt schon, dass die erste Station der Wanderausstellung das Auswärtige Amt ist: Für die angeblich geläuterte Nation gehört seine Ablehnung und auch ein wohltemperiertes Schuldbewusstsein zur Außendarstellung. Der Anti-Antisemitismus von oben, wie er in der Ausstellung zu betrachten ist, verharmlost das Problem, indem er es bei Migranten und Deutschen "aus strukturschwachen Regionen" verortet, obwohl er sich doch ebenso in den Mittelschichten und Eliten findet. Der Psychoanalytiker Zvi Rex prägte den bitteren Satz, nach dem die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen werden. In diesem Sinn relativieren und trivialisieren "sekundäre Antisemiten" die Vernichtung der europäischen Juden. Aber obwohl es so nah wie nur möglich lag, erwähnte niemand ein skandalöses Beispiel. Schließlich war es der ehemalige Dienstherr des Auswärtigen Amtes, Joschka Fischer, der den Krieg gegen Jugoslawien mit der Parole "Nie wieder Auschwitz!" zu begründen versuchte.
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