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"Zu individuell gedacht"
Über Claas Triebels Mobil, flexibel, immer erreichbar

(KONKRET LITERATUR, 24. September 2010)

„Sie studieren einige Semester im Ausland, um ihren Lebenslauf zu frisieren. Sie lernen Sprachen, um sich für den Arbeitseinsatz zu rüsten. Sie sind mobil und flexibel, um für den globalen Markt attraktiv zu sein.“ Für den Job gehen sie überall hin, nach Russland, China oder Bielefeld - „die Karriereleiter hoch. Oder wenn es nicht nach oben geht, dann wenigstens nicht nach unten. Zumindest ermöglicht ihnen der Umzug, überhaupt weiterarbeiten zu dürfen.“
So beschreibt der Organisationspsychologe und Unternehmensberater Claas Triebel, wie es sich den jungen Leuten von heute darstellt. Von den Versprechen und Verlockungen des freien Welt-(Arbeits-)Marktes ist in dieser Darstellung nicht viel übriggeblieben. Holm Friebe und Sascha fragten kürzlich noch kokett, wozu eine Festanstellung überhaupt gut sein soll. Claas Triebel kontert: „Wir nennen es schlecht bezahlte Arbeit“ und „Tagelöhner 2.0“. Sein Buch „Mobil, flexibel, immer erreichbar“ beschreibt die Kehrseite der modernen deutschen Arbeitswelt: ungesicherte Anstellungen, ständige Überlastung, Mobilität und Flexibilität als Zwang, der die Beziehungen zu Familie, Geliebten und Freunden zerbrechen lässt. Die Freiheit, sich überall und auf jede erdenkliche Art verkaufen zu dürfen, entpuppt sich als öde Tretmühle. Weil die Arbeit „räumlich und zeitlich entgrenzt“ ist, ist sie eigentlich immer und überall mit dabei. Insgeheim, glaubt Triebel, träumen fast alle von Festanstellung und Familie, „einem geregelten Arbeitsalltag mit Eckkneipe, Würstchenbude, Wohnsiedlung und Bausparvertrag“.
Triebels Fallbeispiele klingen, als habe er sie aus persönlicher Erfahrung gewonnen und die Folgekosten des „Flexibilisierung“ beschreibt er mit viel Einfühlungsvermögen. Seine politischen und „gesellschaftstheorischen“ Überlegungen dagegen sind flach und die zahlreichen Abschweifungen (etwa über die menschlichen Mobilität seit der Erfindung des Rads!) banal. „Mobil, flexibel, immer erreichbar“ ist sozusagen eine Trickfilm-Version von Richard Sennetts „Der flexible Mensch“. Als Psychologe geht Triebel konsequent von der jeweils individuellen Psyche aus, nicht von sozialen Gruppen oder gar Klassen. Als Gegenmittel gegen den Arbeitsterror empfiehlt er schließlich, sich Zonen der Unerreichbarkeit zu schaffen, sozusagen Schutzräume, zu denen Konkurrenz und Hetze keinen Zutritt haben sollen. Das ist weder originell noch erfolgversprechend – aber das notwendige Ergebnis von Triebels individualistischer Herangehensweise: „Wie das geht – das muss jeder für sich selbst herausfinden.“

Claas Friebel (2010) Mobil. flexibel. immer erreichbar: Wenn Freiheit zum Alptraum wird. Mannheim: Artemis & Winkler.

 

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